Von Reiner Hanke
12.06.2023 12:06 Uhr, https://www.saechsische.de/kamenz-hausdorf-dreiseithof-wohngut-fuer-behinderte-menschen-angelmansyndromgendefekt-
eltern-5869783.html, Sächsische Zeitung
Kamenz. Elisa ist ein fröhliches Mädchen, und sie geht am liebsten barfuß. Schuhwerk mag sie nicht so sehr. Das muss aber sein, wenn ein Spaziergang über Stock und Stein um das Wohngut Schönteichen angesagt ist. Das wird vielleicht in der Zukunft ihr Zuhause sein. Der große Dreiseithof im Kamenzer Ortsteil Hausdorf soll zum Wohnprojekt vorrangig für Menschen mit Behinderung wie Elisa werden.
Elisa kam mit einem Gendefekt, dem Angelman-Syndrom, zur Welt. Inzwischen ist sie 21 und mal wieder mit ihrer Mutter Silvana Krauß-Göbel zuGast auf dem Gut: „Sie freut sich immer ganz toll auf die Besuche hier“, sagt Krauß-Göbel. Sie stammt aus Bautzen, lebt momentan in Hessen.
Für ihr Projekt haben sie und zwei weitere Familien eine gemeinnützige Unternehmergesellschaft gegründet. Die Gesellschaft nennt sich
„LebenS-WertE“. Ein Name mit vielen Bedeutungen. Lebenswert soll es in jedem Fall auf dem Gut werden
Eltern sorgen sich um die Zukunft ihrer Kinder
Die Idee sei schon vor einigen Jahren entstanden, berichten Geschäftsführerin Silvana Krauß-Göbel und Gesellschafterin Beate Kuban aus Bühlau bei Großharthau. Ihr Sohn Nick wurde ebenfalls mit dem Angelman-Syndrom geboren. Die Betroffenen werden erwachsen, bleiben aber auf dem Niveau eines Kleinkindes. „Elisa und Nick brauchen rund um die Uhr Betreuung“, erklärt Silvana Krauß-Göbel. Elisa kann nicht sprechen, selbst Zähneputzen oder Haare kämmen gehe nicht allein.
Kennengelernt haben sich die Eltern über den Angelman-Eltern-Verein. Durch den Tipp einer Schulfreundin hätten sie dann das Gut in Hausdorf gefunden. „Das wär’s“, hätten sie sofort gesagt. Seitdem seien sie oft hier. „Wir wollen die Kinder nicht von heute auf morgen abgeben, sondern das Gut immer wieder besuchen, den Kindern alles zeigen und vermitteln: ,Das ist mal euer Zuhause.’“, erklären sie.
Aber warum? Die Eltern ließ der Gedanke nicht los, was mit ihren Kindern wird, „wenn wir nicht mehr sind“, sagt Beate Kuban. Sie wünschen sich, dass es ihre Kinder auch dann gut haben und gemeinsam mit Menschen, die sie kennen und mögen, alt werden können. Ein Pflegeheim sei nicht ideal, sind sich die Mütter einig.
Eigentümer des Gutes unterstützt das Wohnprojekt
Deshalb wollen sie selbst etwas aufbauen – mit intensiver Unterstützung des Eigentümers. Der habe sie mit offenen Armen aufgenommen.
Albrecht Richter hat das Familiengut über viele Jahre saniert und zum Beispiel den früheren Pferdestall zum Gästehaus mit markantem
Glockenturm umgestaltet.
Es sei ein geschichtsträchtiges Objekt, das über 500 Jahre verschiedensten Zwecken gedient hat, erklärt er. „Das Gut soll eine Funktion haben, die den Menschen dient.“ So passe das Wohnprojekt perfekt zum Hof. Außerdem sei es für ihn Zeit, die Verantwortung für den Hof
weiterzugeben.
„Das Projekt braucht viele Hände“, sagt er bei einem Rundgang mit Elisa. In der Scheune stehen schon die Geländer für die Brücke über den Saleskbach bereit. Eine Frage der Sicherheit, wenn hier mal Menschen mit Handicap einziehen. Das Gewächshaus ist fast fertig und wird schon genutzt. Tags zuvor haben Elisa und Nick geholfen, Tomaten, Salat und Kürbisse auszupflanzen.
Wohngut-Gründer suchen noch Mitstreiter
Elisa zupft am Arm. Es gibt noch mehr, will sie damit zu verstehen geben, einen Hühnerstall zum Beispiel. Albrecht Richter zeigt, wo ein mobiles Sägewerk montiert werden soll, um Bauholz für die kommenden Arbeiten zu schneiden.
Einen Zeitplan gibt es noch nicht. Erst müsse der Kauf in diesem Jahr über die Bühne gehen, sagt Silvana Krauß-Göbel. Es sei auch kein Zeitdruck da. Noch seien die Kinder zu Hause, „und wir sind jung genug, das Projekt schrittweise zu stemmen“ – für ihre Kinder und weitere Bewohner. So suchen die Wohngut-Gründer noch Mitstreiter, Eltern, die über die Zukunft ihrer behinderten Kinder nachdenken und die gleichen Vorstellungen haben. Es müsse aber nicht das Angelman-Syndrom sein.
Wohnbereich und Förderwerkstatt sind geplant
Auch die finanzielle Seite sei zu betrachten. Denn die werde, „auch wenn wir viel selbst machen, schon mindestens bei zwei Millionen Euro
liegen“. Der erste Schritt werde ein Wohnbereich für acht bis neun Menschen sein. Der Gebäudeteil gegenüber des Gästehauses soll dafür
behindertengerecht ausgebaut und eine Lücke zur Scheune geschlossen werden. In der Scheune soll eine Förder-Werkstatt entstehen.
So sollen die Menschen nicht nur auf dem Gut wohnen, sondern sich auch nach ihren Fähigkeiten beschäftigen können. Sie sollen nicht vor sich hinvegetieren und vielleicht nur Schrauben sortieren, sondern aktiv mit Freude mitten in der Gesellschaft am Leben teilhaben, wünschen sich die Initiatoren des Projektes.
So wie Elisa es jetzt schon bei ihren Besuchen tut. Inzwischen ist ein Bauerngarten entstanden. Die Tochter nehme gern die Gießkanne in die Hand, sagt Silvana Krauß-Göbel. Das Mädchen hört zu und lächelt: „Sie versteht fast alles. Mit Anleitung und viel Zuwendung ist einiges möglich.“
Und auch mit moderner Technik. Über ein Tablet mit spezieller Software, mit Fotos und Symbolen verständigen sich die beiden. Elisa drückt auf einen Knopf. Eis möchte sie gern essen. Das Mädchen guckt ein bisschen verschmitzt, die Schuhe hat sie längst wieder abgeworfen.
Weiter Infos unter www.wohngut-schoenteichen.de
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